Windhundrennen um die Gunst der Wirtschaft
Gepostet in Allgemein von am 31. Oktober 2014 Tags: A 33, Allgemeines, Gerry, Ravenna-Park, Weber
Quelle: Haller Kreisblatt vom 31.10.2014
Wenn heute der Ravenna-Park eröffnet wird, dann liefert die Szenerie eine gewisse Symbolik gleich mit. Die Konturen des mächtigen Logistikzentrums von Gerry Weber führen dem staunenden Betrachter die Haller Wirtschaftskraft vor Augen. Doch der Appetit der Stadt scheint nicht gestillt. Das beweist die Verwaltungsvorlage zu einem Haller Konzept für die Neuausweisung weiterer Industrie- und Gewerbeflächen (das HK berichtete). Doch berührt die Offensive aus der Lindenstadt auch die Interessen anderen Kommunen. Ein Standortwettbewerb zeichnet sich ab.
„Das Ganze muss man sensibel angehen; wir wollen niemanden verschrecken“, betont Jürgen Keil, Leiter des Haller Bau- und Planungsamtes, sagt aber auch: „Planen können wir nur für
Halle.
Und letztlich müssen wir uns darüber klar werden, was wir wollen. Das wird eine politische Entscheidung sein.“
Keil hatte in seiner Vorlage für den jüngsten Haupt- und Finanzausschuss offen dafür votiert, neue Gewerbe- und Industrieflächen nicht auf den Bedarf örtlicher Betriebe zu beschränken. „So haben zum Beispiel die Städte Harsewinkel, Versmold und Werther keinen Autobahnanschluss auf ihrem Stadtgebiet“, heißt es dort. Es mache daher Sinn, die „Lagegunst der A 33 zu nutzen und dort neue Gewerbe- und Indus-trieflächen zu verorten“. Das würde neben dem Ravenna-Park ein weiteres großes Gewerbegebiet für Halle bedeuten.
Klingt zunächst einmal so, als baggere die Lindenstadt schamlos die Betriebe ihrer Nachbarkommunen an. „Das ist ja eine Umarmung für die gesamte Region. Die sollte aber abgesprochen sein“, kommentiert Werthers Bürgermeisterin Marion Weike die neuen Töne aus
Halle.
Und auch Versmolds Bauamtsleiterin Nina Herrling gönnt sich zumindest den süffisanten Hinweis, dass „die Haller schon einen sehr selbstbewussten Auftritt haben“. Doch etwaige Expansionsgelüste könnten gar nicht zügellos ausgelebt werden – das wäre mit den Vorgaben der Regionalplanung nicht vereinbar. „Ohne interkommunale Zusammenarbeit wird es keine größeren Industrie- und Gewerbegebiete mehr geben“, sagt Herrling.
Das weiß man natürlich auch in Halle: „Die Planungsämter im Kreis Gütersloh sind sich einig, gemeinsame Konzepte zu entwickeln“, sagt Jürgen Keil. Und in der Lindenstadt hat man damit Erfahrung – das Projekt Ravenna-Park mit Beteiligung von Gütersloh (38 Prozent der Gewerbe- und Grundsteuereinnahmen) und Werther (8 Prozent) ist ein voller Erfolg. Halles Verwaltung will wie berichtet auch hier die Erweiterung – und bekommt dabei sogar Unterstützung aus Werther: „Das von der Bezirksregierung Detmold vorbebrachte Problem mit dem Wasserschutzgebiet halte ich für lösbar – die Pläne sollten zeitnah umgesetzt werden“, sagt Marion Weike und schiebt nach, dass man hier mit Halle hervorragend zusammenarbeite.
Werther würde bei einer Erweiterung wie vertraglich vereinbart wiederum mit acht Prozent profitieren. „Große Betriebe in Halle anzusiedeln, macht auch darüber hinaus Sinn“, sagt Werthers Bürgermeisterin – und findet zugleich deutliche Worte der Kritik: „Die Haller sollen ruhig gutes Geld verdienen – aber wenn sie zeitgleich überlegen, aus der Jugendamtsumlage auszusteigen, ist das unsolidarisch. Leben und leben lassen, muss die Devise lauten!“
In Versmold betrachtet man die Haller Offensive vorerst gelassen. „Wir stehen uns mit Borgholzhausen sehr nahe und sind mit dem Interkommunalen Gewerbegebiet gut aufgestellt“, sagt Nina Herrling. Zudem begleite man auch den Prozess um die Entwicklung der Flächen des ehemaligen Gütersloher Flughafens. „Ein Windhundrennen der Kommunen wird uns als Kreis nicht weiterbringen.“
Halle indes will sein eigenes Industrie- und Gewerbeflächenkonzept bis zum Sommer aufstellen. Und Jürgen Keil gibt eine Richtung vor: „Ich glaube nicht, dass ein Klein-Klein der einzelnen Kommunen bei der Ausweisung von Flächen der richtige Weg ist.“ Die Lindenstadt öffnet der Wirtschaft also die Tür – übrigens nicht ohne den Hinweis in der brisanten Vorlage, dass die eigenen Interessen „selbstverständlich ausreichend zu berücksichtigen seien“ …