Künsebeck verliert alte Schule
Gepostet in Allgemein von am 21. November 2014 Tags: Allgemeines, alte Schule, Ravenna-Park
Halle boomt – auf Künsebecker Grund und Boden. Jetzt verliert der einst von Kalkindustrie geprägte Stadtteil eines seiner drei letzten Wahrzeichen: die alte Schule an der alten Kreisstraße, die heute Kreisheide heißt.
Von Klaudia Genuit-Thiessen
Der Bagger steht schon bereit. Denn Bauunternehmer Kurt Wagemann will das Backsteinhaus neben einem seiner Firmen-Standorte abreißen lassen. Dabei handelt es sich um das 1902 erbaute Gebäude, in dem zuletzt eine Brunnenbau-Firma ihren Sitz hatte. Dass das nebenan gelegene Gebäude schon aus dem Jahr 1868 stammt, kann heute niemand mehr erkennen. Dabei handelt es sich um Künsebecks einstiges Schulhaus. Es war allerdings schon um 1900 viel zu klein für den wachsenden Ort. Erst nach harten Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde und der Regierung kam es zwei Jahre später zu dem Erweiterungsbau. Das erste Schulhaus hat bereits eine Reihe von Renovierungen hinter sich und wird derzeit komplett von alt auf neu »umgekrempelt«.
Wo bis zum Neubau der Evangelischen Volksschule im heutigen Ortskern im Jahr 1958 die Künsebecker Kinder unterrichtet worden sind, hat die Zeit ein trostloses Bild auf Mauern und Wände gemalt. Im Keller steht das Wasser. Regen hat die Tapeten in der einstigen Lehrerwohnung abblättern lassen. Wände sind stockfleckig. Nach den Worten von Inhaber Kurt Wagemann ist das Backsteinhaus nicht mehr zu retten.
Wagemann-Mitarbeiter und künftiger Nachar Murat Arisoy ist bereits mit Katja und Wolfgang Kosubek vom Internet-Museum »Haller Zeiträume« durchs Haus gegangen, das unübersehbar als Schule gedient hat: Mit einem Stück Rigips kann man immer noch auf der dünnen Tafel im früheren Klassenzimmer schreiben. Auf die Kleiderhaken im Flur haben einmal die Künsebecker Kinder ihre Jacken gehängt. Und auf dem Sandstein in der Giebelfront ist es noch zu lesen: »Schule zu Künsebeck, erbaut im Jahr 1902«. In der Zeile darunter in klein ein Bibelvers: »Lasset die Kindlein zu mir kommen.«
»Das ist das Juwel dieser Schule«, hofft Katja Kosubek, dass das Museum noch die Chance bekommt, dieses Schmuckstück für die Nachwelt zu erhalten. Murat Arisoy hat die Absicht, dem Stein einen Ehrenplatz in seinem Garten zu geben. Doch die Historikerin wünscht sich noch, dass er seine Meinung ändert, »Wenn er doch kein Interesse daran haben sollte, nimmt das Museum ihn mit Kusshand.«
Sie möchte auch die Tür eines Klassenzimmers retten, hinter der Lehrer Franz Balduf die Kinder in den 50er Jahren unterrichtet hat. Schließlich habe das Museum zwar schon viele Stücke aus der Haller Geschichte zusammengetragen. Aber alle seien klein. Größere fehlten noch.
»Viel haben wir nicht mehr gefunden«, weiß Katja Kosubek, dass das Haus »ziemlich herunter« ist. Dennoch bedauert sie den geplanten Abriss: »Das ist jammerschade. Denn man sieht, dass sich der Künsebecker Ortskern später verschoben haben muss. In der Nähe der alten Schule habe jedenfalls auch einmal das von dem Architekten August Schlienkamp geschaffene Kriegerdenkmal gestanden.
Das Denkmal, das heute an der neuen Schule an der Teutoburger Straße steht, zählt Friederike Hegemann vom Vorstand der Interessengemeinschaft Künsebecker Bürger noch zu den wenigen verbliebenen Wahrzeichen. Wie »den Ludwig«, der weithin sichtbar dem Steinbruch Müller überragt. Ihre Familie bewahrt noch einige Fotografien von der alten Schule auf, wo ihre Mutter 1953 eingeschult worden ist. »Schade«, findet auch sie den drohenden Abriss. Aber nach einem Gang durchs Haus weiß sie, dass die Rettung der Schule mehr als kostenintensiv wäre.
Ein Erinnerungsstück haben Katja und Wolfgang Kosubek schon sichergestellt: Möglicherweise handelt es sich nur um den Außenverstärker des Telefons. Vielleicht ist es aber auch die alte Pausenglocke.