In der Schmiede Hartmann in Künsebeck ist das alt …
Gepostet in Allgemein von Freddy am 24. Dezember 2019 Tags: Bundestrasse, Hartmann, Schmiede
Quelle: WESTFALEN BLATT / Klaudia Genuit-Thiessen
Halle-Künsebeck (WB). Auf den ersten Blick: Chaos. Auf den zweiten: eine verborgene Schönheit. Die alte Schmiede Hartmann in Künsebeck ist einer der vergessenen, verlorenen Orte aus einem ganz besonderen Bilderbuch. Wer genau hinschaut, erlebt ein Stück aus dem Arbeitsleben vergangener Tage.
Jedenfalls wenn Hans Hartmann das schwere Rolltor an die Seite schiebt. Der schmale Mann in Arbeitskluft stapft voraus durch schmale Gänge. Vorbei an Kisten und Kasten, altem Metall und Rollern, Rädern und Fahrradteilen, Zinkeimern, Schraubstöcken und Leitern und einer riesigen Karte unseres Sonnensystems samt der Himmelsmechanik. »Kinder staunen dann immer, wenn sie sehen, dass unsere Erde nur erbsengroß ist«, sagt der 77-Jährige mit dem fotografischen Gedächtnis und dem Gefühl für altes Eisen und neue (Fahrrad-)Schläuche.
In den Tiefen dieser einzigartigen Werkstatt, die zu Zeiten seines Vaters Friedrich noch weniger aufgeräumt war, findet er alles, was er sucht. Hier hat sein Großvater Wilhelm beim Bau der Schmiede 1929/30 an Hufbeschlag gedacht und deshalb Ringe in die Wand eingelassen, um die Pferde anzubinden. Bei drei Kalkwerken in Künsebeck wäre das vielleicht ein Notanker gewesen. Hier hat Hans Hartmann selbst gearbeitet, als er mit der Lehre bei Kochbeck in Brockhagen durch war, wo damals Landmaschinen repariert wurden, Verbogenes gerichtet, Balkongeländer geschweißt. Viel 08/15 halt.
Das ist lange her. Hans Hartmann hat trotz des Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg »60 Jahre mehr oder minder immer in Metall gemacht«. Ein kluger Mann, der immer wieder einmal »Pythagoras und Pi neu denkt, damit es mir nicht entfällt«.
Mit wenigen geübten Griffen facht er ein kleines Schmiedefeuer an. Greift wenig später einen Hammer, um aus einem Stück glühendem Eisen einen Vierkantdorn zu schmieden. Oder eine Krampe? Er hat sich wohl erst spät arrangiert mit dem Handwerk, das ihn wieder nach Hause geführt hat, als sein Vater ein Pflegefall war. »Ich bedauere schon heute meine Erben, die diese Hütte mal aufräumen müssen«, sagt der Künsebecker und zuckt die Achseln. Heute wird er in der Fahrrad-Werkstatt der Flüchtlingshilfe nicht nur als Meistermonteur, sondern auch als Mensch hoch geschätzt.
Er ist auch nicht zu spät zurückgekehrt, um sein Wissen noch zu teilen. Schmiede das Eisen solange es noch heiß ist, heißt ein altes Sprichwort. »Was ich gelernt habe, würde ich gern weitergeben«, sagt Hans Hartmann. Eigenhändig ein Schüreisen machen oder ein Kaminbesteck schmieden? Klar ist es billiger, so etwas zu kaufen. Aber wer so denkt, der braucht wirklich keinen Fuß zu setzen in die alte Schmiede Hartmann.