Grünes Licht für Industriegebiet
Gepostet in Allgemein von am 20. Oktober 2011 Tags: A 33, Allgemeines, Anne Rodenbrock Wesselmann, Industriegebiet, Industriepark, Jürgen Keil, Politik, Ravenna-Park
Halle-Künsebeck (WB). Das Verfahren für den Bau einer Entlastungsstraße sowie ein interkommunales Gewerbegebiet an der A 33 in Künsebeck ist am späten Dienstagabend einen großen Schritt voran gekommen. Der Haller Ausschuss für Planung und Stadtentwicklung hat nach vier Stunden Sitzung der Planung zugestimmt.
Viele Künsebecker wollten sich mit den Antworten der Verwaltung auf ihre Einwendungen nicht ohne weiteres zufrieden geben. Hier diskutiert eine Bürgerin mit Bauamtsleiter Jürgen Keil. Foto: Stefan Küppers
Bis auf Thomas Andres von der STU, der 30 000 Fahrzeuge täglich auf der A 33 sowie weitere 10 000 Kfz auf der Entlastungsstraße für »eine Fehlplanung von Anfang an« hält und konsequent gegen die Planung stimmte, befürworteten Vertreter aller Parteien Gewerbegebiet und Entlastungsstraße. Ulrike Sommer (SPD) wehrte sich dagegen, dass in der bisherigen Debatte Industrie und Gewerbe oft grundsätzlich negativ dargestellt worden seien. Halle aber müsse als Gewerbestandort weiterentwickelt werden, denn es gehe auch um Arbeitsplätze. Sie verwies darauf, dass im Anfang 2012 folgenden Offenlage-Verfahren jeder Bürger neue Einwendungen erheben könne. Im Ravenna-Park würden schätzungsweise 1000 bis 1200 neue Arbeitsplätze geschaffen, meinte Klaus-Peter Kunze (FDP). »Unsere gute Gewerbesteuer kommt aus genau solchen Gebieten«, verstärkte Stefan Siemens (CDU), der zudem auf breite Grüngürtel zur Abschirmung zu Wohngebieten verwies.
Gleichwohl waren unter den etwa 80 Zuhörern jede Menge Projektgegner aus Künsebeck. Gegen die Planung liegen allein 36 Einwendungen von Bürgern und auch Bürgergruppen vor. Es entsponn sich eine lebendige Diskussion zwischen Betroffenen und Vertretern der Verwaltung beziehungsweise Stadtplaner Dirk Tischmann. Letzterer trug die wichtigsten Einwendungen und die von der Verwaltung verfassten Erwiderungen vor.
»GAU für Künsebeck«
Ein Streitpunkt tauchte immer wieder auf: Welche Wirkung hat die Entlastungsstraße wirklich? Mancher Künsebecker, darunter der Ex-UWG-Ratsherr Fritz Schlüpmann, ist der Auffassung, dass diese neue Straße neben der A 33 und dem Gewerbegebiet noch mehr zusätzliche Belastung für den Ort bedeutet.
Stadtplaner Tischmann hält diese Sichtweise im Lichte von Verkehrsgutachten für falsch. Die künftigen Verkehrsmengen auf der Entlastungsstraße schwanken zwischen 9 000 und 13 000 Fahrzeugen am Tag. Doch diese Straße, so Tischmann, bringe eben nicht nur Entlastung im Bereich der Ortsdurchfahrt B 68, sondern auch und gerade für Straßen in Künsebeck. Beispielhaft nannte er die Flurstraße. Mit Entlastungsstraße fielen auch bei einer durchgebauten A 33 etwa 4600 Kfz täglich weniger an. Hingegen ohne Entlastungsstraße und einem Ende der A 33 an der Auffahrt Schnatweg steige die Verkehrsbelastung um 4900 Fahrzeuge am Tag auf der Flurstraße.
Den Fall, dass die A 33 am Schnatweg endet, ohne dass die Entlastungsstraße fertig wäre, will sich Bauamtsleiter Jürgen Keil gar nicht ausmalen: »Da kann ich dann nur sagen: Gute Nacht, Marie. Es wäre der GAU für Künsebeck.« Es sei daher schade, dass viele Künsebecker die Entlastungsstraße so kritisch sähen, meinte Keil.
Sorge um Wertverlust
Breiten Raum in den Einwendungen nimmt die Sorge um Wertminderungen von Immobilien im Umfeld von Gewerbegebiet und Entlastungsstraße ein. Die Stadt verweist darauf, dass hier verkehrsplanerische und städtebauliche Ziele wie die Entlastung der B 68 in Halle mit einer großen Anzahl von Anwohnern sowie private Belange im oder am Rande des Plangebietes in Künsebeck abzuwägen seien. Tischmann machte darauf aufmerksam, dass zahlreiche Häuser im Außenbereich lägen: »Hier ist Wohnen nur im Rahmen des Bestandsschutzes möglich, mehr aber nicht.« Eine Wertminderung von Immobilien im Sinne des Gesetzes gebe es nicht, insofern auch keinen Anspruch auf Entschädigung durch die Stadt. Das habe ein Fachanwalt auch geprüft.
Betriebe und ihr Lärm
Wegen der vielen Sorgen in den Einwendungen um Lärm erläuterte Tischmann das im Gewerbegebiet angewandte Prinzip des »emmissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel«. Dies bewirke, dass bei den angrenzenden Wohngebieten der Grenzwert des gesetzlich zulässigen Lärms nur dann erreicht werde, wenn alle Betriebe zusammen und auf einmal die ihnen zugestandenen »Lärmkontigente« ausschöpften. Das Verfahren erlaubt nach Auffassung der Planer »intelligente Lösungen«. Denn merkt ein Betrieb, dass die ihm zugestandenen Lärmkontigente überschritten werden, kann er durch veränderte Architektur oder die Platzierung von Gebäuden Abschirmungseffekte erzielen.
Gebiet ist geschrumpft
Gegenüber den bisherigen Entwürfen, weist die jetzige Planung einige Veränderungen auf. So wurde der reine Gewerbegebietsbereich im Zuge der Regionalplanänderung bei der Bezirksregierung von vormals 42 auf 36 Hektar verkleinert, weil das Land nicht mehr Flächenbedarf zugestehen will. Ein »Zipfel« von sechs Hektar ist planerisch nun wieder Grünfläche. Diese sei aber auch eine erste mögliche Erweiterungsfläche, so Tischmann.
Eine neue Führung bekommt auch die Kreisstraße im oberen Bereich. Und direkt an dem Kreisverkehr im Kreuzungsbereich von Tatenhausener Straße/Entlastungsstraße/Künsebecker Weg soll eine Gemeinbedarfsfläche für den Bau eines Feuerwehrgerätehauses eines möglichen Löschzuges Künsebeck freigehalten werden. Hintergrund: Die Feuerwehr braucht die Nähe zur Autobahn.
Sensible Umweltfragen
Wegen der sensiblen Umweltfragen, derentwegen unter anderem die GNU die Planung vollständig ablehnt, sind die Einwendungen der Landschaftsbehörden besonders zahlreich. Weil Kiebitz und Rebhuhn durch die Planung vertrieben werden, müssen schon jetzt Ausweichquartiere entwickelt werden, damit sie in einigen Jahren tatsächlich angenommen werden. Dem Einwand der Unteren Landschaftsbehörde, dass der Grünzug durchs Gewerbegebiet noch breiter werden soll, will die Stadt jedoch nicht folgen.