Vergessen öffnet Raum für Wiederholung
Gepostet in Pfarrbezirk von Freddy am 27. Januar 2024
„In meiner Straße Stolpersteine, Vögel singen und ich weine. Hier könnt‘ jeder Name
stehen, irgendeiner, irgendeiner. Doch hier steht deiner“ singt der Rapper Trettmann in sei-
nem Lied „Stolpersteine“. Es handelt von dem gleichnamigen Projekt des Künstlers Gunter
Demnig, der Pflastersteine mit Messingtafeln in ganz Europa ersetzt. Darauf zu lesen: die Na-
men von Opfern des Nationalsozialismus. Auch an der Hauptstraße in Künsebeck liegt ein sol-
cher Gedenkstein, der nun im Mittelpunkt einer Andacht des Pfarrbezirkes Künsebeck stand.
Jana Eisenstein-Schlote und Liv Girod hatten die Gedenkfeier vorbereitet und konzipiert, zu der
rund 35 Besucher kamen.
Nach der ungewöhnlichen, aber ungeheuer passenden Introduktion mit dem Rap von Trett-
mann erinnerten die beiden nicht nur an Christian Schalk, der nur 33 Jahre alt werden durf-
te. Aus tiefer christlicher Überzeugung heraus verweigerte der Zeuge Jehovas, in dem er sich
strikt an die christlichen Gebote hielt, („Du sollst nicht töten“), den Hitlergruß und den
Dienst an der Waffe. Der Stolperstein an seinem ehemaligen Zuhause an der Hauptstraße in
Künsebeck ist nicht nur Gedenken an Schalk, er ist auch ein Symbol für die anderen Opfer
des Holocausts und er ist Mahnmal.
„Mit der auffallenden Farbe dieses Steines, fällt er direkt ins Auge. Das heißt, wenn man
normal hier an der Hauptstraße lang geht und diesen Stolperstein sieht, stolpert man quasi
gedanklich darüber. Man ist sofort bei den Betroffenen der Nationalsozialisten, bei den Op-
fern, denn jeder dieser Steine steht für ein Opfer der Nazis. Weltweit erinnern mittlerweile
über 100.000 Stolpersteine an Menschen, die Opfer nationalsozialistischer Verbrechen ge-
worden sind“, gab Liv Girod zu denken.Seit 1996 ist der 27.Januar als Gedenktag im bundesdeutschen Kalender vermerkt. Am
27.Januar 1945 wurden die beiden Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz und
das 3km davon entfernte Auschwitz-Birkenau von der Roten Armee befreit. Schätzungsweise
fielen 12 Millionen Menschen dem totalitären nationalsozialistischen System zum Opfer.
„Was so unvorstellbar in unseren Ohren klingt, soll bei einigen Unbelehrbaren auch heute
wieder Realität werden. Menschen, die nicht der Norm, dem Schema, dem System entspre-
chen, sollen in diesem Land kein Platz haben. Und genau aus diesem Grund sind solche Ge-
denktage wie heute wichtiger denn je. Wir gedenken den Opfern, erinnern uns und wollen
damit nicht vergessen. Denn das Vergessen eröffnet einen Raum für die Wiederholung all
dieser Gräueltaten“, mahnte Jana-Eisenstein-Schlote.
Wichtig sei, sich auszusprechen gegen Hetze, gegen Gewalt und gegen Rassismus. Haltung zu
zeigen und für Nächstenliebe zu appellieren. „Wir als Christinnen und Christen müssen Flag-
ge zeigen, laut sein, Aufstehen und darauf verweisen, dass kein Mensch ein lebensunwerter
Mensch ist, denn vor Gott sind wir alle gleich“, lautete der Appell der Andacht.